Gegen das Vergessen...
… erinnern wir an diesem Wochenende an alle Jüdinnen und Juden, die durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten ihrer Lebensgrundlage in unserer Heimatstadt beraubt, vertrieben oder ermordet wurden. 1938 lebten zirka 870 Jüdinnen und Juden in Wiener Neustadt. Sie waren Bürgerinnen und Bürger der Stadt und ein wichtiger, selbstverständlicher Teil des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens.
In der Nacht vom 9. auf 10. November jähren sich die „Novemberpogrome“ zum 86. Mal. In jener Nacht im Jahr 1938 wurden alle nach dem sogenannten „Anschluss“ im März noch in der Stadt verbliebenen Jüdinnen und Juden inhaftiert, bestohlen und in der Folge enteignet.
Stellvertretend für alle erinnern wir an die Familie Bank, die hochangesehen und beliebt das größte Kaffeehaus der Stadt, das „Konzert-Cafè Julius Bank“ betrieben hat. Nach dem Tod des Vaters Julius Bank übernahm Josef Bank 1927 das weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Etablissement in der Bahngasse 17.
Kaffee trinken, Zeitungen lesen, Billard spielen, Konzerte besuchen – all das konnte man hier. Der Musik- und Konzertsaal bot 200 Personen Platz, es gab eine großzügige Tanzdiele und einen Garten mit Steinbalustraden und Musikpavillon. Klub- und Spielzimmer boten die Möglichkeit, sich zurückzuziehen und es gab auch spezielle Damenzimmer. Das Haus war täglich bis 1 Uhr nachts geöffnet und an den Wochenenden besuchten viele die Matineen. Die „Familienabende“ an Freitagen boten Klavier- und Orchestermusik, Gesangsdarbietungen, Lustspiele und Kabaretts. Nicht nur lokale Künstler, sondern auch Künstler aus Wien traten hier gerne auf. Während der „Musikfestwochen“ konnte das Publikum abends ab 20 Uhr Theater- und Opernaufführungen genießen. Weit über die Stadtgrenzen hinaus warb man mit Programm-Zetteln, sodass sogar Gäste aus Wien extra anreisten.
Den zunehmenden Antisemitismus der 1930er Jahre bekam auch Josef Bank deutlich zu spüren. Zu Silvester 1937 ließen zahlreiche Kunden sehr kurzfristig ihre Reservierungen streichen, ließen sich dann aber schlussendlich das rauschende Fest doch nicht entgehen. Mit dem sogenannten „Anschluss“ 1938 begann ein regelrechter Kampf der „Ariseure“ um das Kaffeehaus. Um die Ausreise mit seiner Familie zu finanzieren, schloss Josef Bank schon im Mai 1938 einen Kaufvertrag mit Heinrich Lang ab, der jedoch von der Vermögensverkehrsstelle nicht akzeptiert wurde. Zwei Angehörige der SS erhielten im Herbst 1938 den Kaufzuschlag und benannten es in „Café Berlin“ um.
Am 10. November 1938 wurde Josef Bank verhaftet und in „Schutzhaft“ ins KZ transportiert. Beschönigend notierten die Behörden, er sei „nach Dachau abgemeldet“. Seine Ehefrau Grete befand sich zu diesem Zeitpunkt mit den beiden gemeinsamen Kindern in Wien. Sie konnte die Freilassung ihres Mannes bei den Behörden erwirken. Um einer weiteren Verhaftung zu entgehen, floh er per Schiff nach Shanghai. Grete versuchte im Zuge der „Arisierungen“ Geld für die Familie aufzutreiben. Es gelang ihr erst 1941 die Flucht, zunächst über Deutschland und Frankreich und dann nach Amerika. Ihre alten Eltern musste sie zurücklassen. Sie wurden in das Ghetto Łódź deportiert und überlebten die schlechten Bedingungen nicht lange.
1947 kam es zu einer Wiedervereinigung der Überlebenden der Familie in den Vereinigten Staaten. Die Familie Bank und ihre weitverzweigte Verwandtschaft überlebte diese fürchterliche Zeit in der Emigration. Doch viele Familien konnten vor dem nationalsozialistischen Terror nicht fliehen und wurden ermordet.
Was bleibt, sind wenige Spuren dieser Familien. Im Stadtbild sind es vor allem die Stolpersteine, die uns täglich erinnern sollten. Tatsächlich sind nur mehr sehr wenige Zeugnisse jüdischen Lebens in Wiener Neustadt erhalten geblieben. An das „Konzert-Cafè Julius Bank“ erinnert nur noch das in der Vitrine ausgestellte silberne Oberskännchen.
Vielleicht halten Sie bei ihrem nächsten Spaziergang durch die Bahngasse kurz inne und denken an die Menschen, die mit ihrer Arbeit hier so vielen Freude bereitet haben. Sie und die anderen jüdischen Familien gehörten zu Wiener Neustadt und ihr Fehlen hat eine große Lücke hinterlassen. Es liegt an uns allen, dass ein respektvolles Miteinander eine Wiederholung dieser schrecklichen Ereignisse nie wieder möglich macht!