Der Professor aus der Pöckgasse

Zum Welttag des Buches gibt es eine nette Geschichte aus Wiener Neustadt. Lesen Sie hier weiter....

 

Wilhelm Waldstein wurde 1897 in Wiener Neustadt geboren. Der Pädagoge, Schriftsteller und Musikwissenschaftler musste 1938 den Schuldienst in Wiener Neustadt verlassen, weil sein Vater, Jurist am Kreisgericht und Komponist, Jude war. Seine erzwungene Pensionierung endete 1945 mit der Bestellung zum provisorischen Musikschulleiter in Wiener Neustadt und der Berufung in das Ministerium für Unterricht und Kunst. Er avancierte zum Professor an der Akademie für Musik und darstellende Kunst, war Präsident des österreichischen Schriftstellerverbandes und Vorstandsmitglied des österreichischen PEN-Clubs. Waldstein starb 1974 in Altaussee.

Auszug aus: Wilhelm Waldstein, Frühe Schatten, Erzählende Prosa, Wien 1963, S. 34f

A.E.I.O.U.

(…)

„Zu meiner Zeit“, wie alte Leute zu sagen pflegen, herrschte in dieser Burg noch immer der Kaiser, freilich nicht persönlich-unmittelbar; es war eine Stätte, in der die zukünftigen Offiziere herangebildet wurden. Etwas von klösterlicher Zucht und Abgeschlossenheit lag über dem Bau und seinen Zugehörigen, die in strengen Lehrsälen, Übungssälen, Schlafsälen nach eigenen Regeln lebten. Nur selten sah man sie bei Gelände- und Schießübungen in dem weiten Park hinter der Akademie; sonst erblickte man sie nur beim „Ausgang“ aus dem Tore schreiten – ob „mit Mantel“, schrieb jeweils eine schwarze Tafel am Tore vor. Aber waren auch die Räume dieser Soldatenstadt  jedem Blick entzogen, der schier endlose Park stand allen offen, die sich ergehen wollten, und da gab es stundenweite Wege durch Alleen von mächtigen Kastanienbäumen, verschlungene Seitenpfade um Teiche, weite Wiesen und stille Ufer am Bache, der den Park durchfloss. Alle Wege nahmen ihren Ausgang von dem unmittelbar hinter dem Bau gelegenen Platz, den das Denkmal der kaiserlichen Stifterin dieser Offiziersschule beherrschte; zur Rechten erhob sich ein Standbild Kaiser Franz Josephs, zur Linken eine Kolossalbüste des ersten Akademiekommandanten. So berührten sich Vergangenheit und Gegenwart, kaiserliche und bürgerliche Welt; es war ein mikrokosmisches Abbild Altösterreichs.

Nur einmal im Jahre, so hörte ich, öffneten sich die inneren Räume der Burg, die Prunksäle fremden Gästen: beim Akademieball, der den strahlenden Höhepunkt des Faschings bildete. Mich ließ dies alles kühl. Wie mir die Spaziergänge durch den Park, die meine Mama zu unserem leiblichen Gedeihen für unerlässlich hielt, unendlich langweilig waren, so interessierte mich auch nicht die Schilderung jener Ballnächte. Und doch hatte dort einmal meine Mutter, noch unter der Aufsicht der Eltern, die Aufmerksamkeit eines Erzherzogs erregt, der sie (…) zum Walzer führte – sie, ein Mädchen aus bürgerlichem Hause, worüber Baronessen, Comtessen, Exzellenzentöchter einverständlich große Blicke tauschten. Kaum aber war diese Tour zu Ende, als sich ein junger Gerichtsadjunkt, dessen Name vermöge seiner musikalischen Gaben in der kleinen Stadt schon bekannt war, den Eltern vorstellte und Mama um den nächsten Tanz bat. So lernten sich meine Eltern kennen, sozusagen unter den Fittichen des Doppeladlers. Und auch die Ehe wurde unter diesen Fittichen geschlossen, in der Burgkirche über dem Grabe Maximilians.

(…)

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Museum St. Peter/Sperr

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